Joint rauchen erlaubt: Berater nehmenbesonders Eltern in die Pflicht

Joint rauchen erlaubt: Berater nehmenbesonders Eltern in die Pflicht

Kreis Unna. Grünes Licht für Cannabis: Der Bundesrat hat am Freitag der Teil-Legalisierung zugestimmt.
Suchtberater aus dem Kreis Unna sprechen im Interview Warnungen aus.

Der Konsum von Marihuana und Haschisch ist Erwachsenen mit bestimmten Auflagen ab dem 1. April erlaubt. Die Suchtberater David Hofmann und Benjamin Lutz von der Suchthilfe im Kreis Unna beantworten im Interview mit dieser Redaktion die wichtigsten Fragen nach der Legalisierung von Cannabis.
Wer kommt zu Ihnen in die Suchthilfeberatung?
David Hofmann: In die Beratungsstelle in Unna kommen alle Menschen, die entweder Fragen zu dem Thema illegale Drogen haben oder möglicherweise ein Problem damit haben. Das heißt, wir beraten
Menschen, die selbst konsumieren, aber auch Angehörige oder Eltern. Es kommen auch häufig Partner und Partnerinnen zu uns. Einige Konsumenten werden geschickt von der Justiz zum Beispiel oder Eltern bringen ihre Kinder in die Beratung. Viele kommen aber natürlich auch aus eigenen Anlässen zu uns, aus eigenen freien Stücken.
Wie verteilen sich Ihre Klienten auf Erwachsene und Jugendliche?
David Hofmann: Während früher die opiatabhängigen Menschen, also Heroinkonsumenten, den größten Teil unserer Kundschaft gebildet haben, stellen wir jetzt fest, dass die größte Gruppe der Menschen, die wir beraten, wegen Cannabis zu uns kommt. Das sind gute 40 Prozent unserer Betreuungen. Die Gruppe
der Kinder und Jugendlichen, hier sprechen wir von 14- bis 17-Jährigen, und der jungen Erwachsenen, von 18 bis 24 Jahren, bilden von den 40 Prozent wiederum den größten Teil. Das sind gute 54 Prozent dieser jungen Menschen, die wir regelmäßig betreuen.
Wirkt Cannabis als Einstiegsdroge?
David Hofmann: Die Annahme, wenn ich Cannabis konsumiere, werde ich mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit auch später härtere Drogen konsumieren, gibt es seit Langem. Das ist eigentlich
widerlegt. Dazu haben wir eine gute Zahlen- und Faktenlage. Weil wir eben wissen, dass es ganz viele Menschen gibt, die ausschließlich Cannabis konsumieren und eben nicht zu anderen Drogen greifen.
Viele dieser Menschen stellen den Cannabiskonsum auch wieder ein. Wichtiger ist es hinzuschauen, was man als eine Einstiegsdroge bezeichnet. Die ersten Rauscherlebnisse haben wir in der Regel mit legalen Substanzen, mit Alkohol und Nikotin.
Ist eine Entkriminalisierung daher sinnvoll?
Benjamin Lutz: An vielen Stellen erscheinen uns die Folgen der Kriminalisierung nicht hilfreich. Weder aus juristischer Sicht noch für die Betroffenen. Beispiel: Man hat seinen Führerschein verloren, weil man irgendwo in der Freizeit – gar nicht am Steuer – Cannabis konsumiert hat. Junge Menschen können tatsächlich, das wissen viele nicht, eine Sperre bekommen, einen Führerschein zu machen, wenn sie mit 15, 16 Jahren auffallen. Vielleicht neugierig ausprobiert und stehen dann mit 18 vor einer Sperre, die sich nur durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung lösen lässt, die sehr teuer und sehr aufwendig ist. Und da stellt sich die Frage, wem nützt es was?
Wird Haschisch mit Alkohol und Nikotin gleichgestellt?
Benjamin Lutz: Nein, kann man so tatsächlich nicht sagen. Wir haben gerade beim Alkohol eine sehr liberale Haltung. Ab 16 kann ich Bier, Wein, Schaumwein erwerben, trinken. Ob ich eine Flasche erwerbe oder 20, das ist nirgendwo vorgegeben. Beim Cannabis habe ich ja klare Vorgaben bei der Menge.
Ich muss mich in Zukunft entweder darum kümmern, dass ich anbaue, dass ich das selber auf meinem Balkon oder in meinem Garten züchte. Oder ich werde Mitglied in einer Anbauvereinigung.
Das heißt, ich muss mich registrieren. Würde ich von Alkoholkonsumenten verlangen, dass sie sich mit Namen und Geburtsdatum in irgendein Register eintragen, würde das einen riesigen Aufschrei geben.
Welche Gefahren gehen vom Schwarzmarkt aus?
David Hofmann: In der Tat müssen wir ganz häufig davon ausgehen, dass illegal erworbenes Cannabis auch mit Verunreinigungen kontaminiert ist. Wir sprechen hier von synthetischen Cannabinoiden zum Beispiel. Wenn ich mir eine Flasche Bier aufmache, weiß ich, was mich erwartet, wenn ich eine gewisse Erfahrung damit habe. Das Rauscherleben können Sie bei solchen Substanzen überhaupt nicht mehr
einschätzen. Es gibt Verunreinigungen, Haarspray zum Beispiel, Bricks, die eben auch oft chemische Zusätze enthalten. Das sind alles Substanzen, die man natürlich eigentlich nicht verdampfen oder verrauchen und in die Lunge tief inhalieren möchte.

Besteht künftig ein Risiko illegaler Weitergabe an Jugendliche?
Benjamin Lutz: Ich würde lügen, wenn ich sage, nein. Natürlich kann jeder, der anbaut, es auch weitergeben, so wie es ja auch bei anderen Substanzen der Fall ist, dass die an junge Menschen weitergegeben werden. Jede Stadt kennt den Kiosk, an dem man auch mit 14 Jahren die Flasche Wodka erwerben oder Zigaretten einzeln kaufen kann für 50 Cent. Das macht man einfach, weil junge Menschen oft nicht so viel Geld haben – ist nicht erlaubt. Es ist daher auch wichtig, Erwachsene dafür zu sensibilisieren, dass es eine Freigabe für Erwachsene ist und aus guten Gründen Cannabis nicht in die Hände von jungen Menschen gehört und sie deswegen besonders geschützt
werden müssen.
Welche Präventionsangebote gibt es im Kreis Unna?
Benjamin Lutz: Es gibt im Kreis Unna meinen Kollegen Matthias Hundt in Lünen und mich. Mit anderthalb
Stellen decken wir die Präventionsarbeit im Kreis ab. Das ist sportlich, kann man sagen. Wir sind an einer ganzen Reihe Schulen regelmäßig zu Gast, um mit Schülern über Drogen und ihre Risiken zu sprechen, gute Informationen weiterzugeben. Es gibt auch Fortbildung oder Schulung für Lehrer und für Schulsozialarbeiter zu dem Thema. Es ist sehr wichtig für gute Präventionsarbeit, auch die Eltern mit ins Boot zu holen, die sich ja oft hilflos fühlen oder irrtümlicherweise glauben, sie können gar nicht viel Einfluss auf ihr Kind nehmen, wenn es um das Thema Drogen geht. Das stimmt nicht. Tatsächlich kann man als Eltern, wenn man gut informiert ist, schon eine Menge leisten. Elternabende sind nur leider immer schlechter besucht. Wir erleben, dass oft weniger als zehn Prozent der eingeladenen Eltern kommen.
Was sehen Sie kritisch an dem neuen Gesetz?
David Hofmann: Insbesondere die Frage der Prävention oder auch der Beratung. Die Anbauvereinigungen sollen ja auch zu den Produkten beraten können. Das treibt uns natürlich schon ein Stück weit um. Also, wie wird da auch Beratungsqualität abgesichert? Wer soll sowas machen? Auch wer finanziert das? Wenn es wirklich eine großflächige Kampagne geben soll, von der Herr Lauterbach ja oft gesprochen hat, dann
muss das auch bezahlt werden. Auch das sehen wir im Moment noch nicht so. Ansonsten bin ich erstmal insofern guter Dinge, dass wir uns auf den Weg machen, etwas zu verändern. Klar, die Effekte bleiben abzuwarten. Auch die Weitergabe an noch junge Menschen, wo wir bei der Gehirnentwicklung davon
ausgehen, dass sie noch nicht abgeschlossen ist, also bis zum Alter von 22, 23 Jahren. Sehen wir da möglicherweise negative Effekte, die wir uns nicht wünschen?

Quelle: Hellweger Anzeiger 23.03.2024

 

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